Große Kunst von kleinen Künstlern


Kurz vor dem großen Trubel am Nachmittag, haben ein paar Kinder ihre Kunstausstellung in der Kita nochmal in Ruhe begutachtet. Stolz zeigten sie der Frau mit der Fotokamera, welches Bild ihr persönlicher Favorit ist und womit sie sich in den vergangenen drei Monaten so intensiv auseinandergesetzt haben. Lucio und seine Kunstfreunde und -freundinnen aus der Delfingruppe suchten im Bildband nochmal nach den Vorlagen der "großen" Künstler, an deren Werke sie sich orientiert hatten. Paul Klee zum Beispiel, auch Vincent van Gogh oder auch Banksy gehörten dazu, daneben auch ein par unbekanntere Namen. Alle beteiligten 27 Kinder aus den drei Gruppen der Delfine, Pinguine und Hummeln hatten jedes der 12 ausgewählten Werke "nachgemalt", oder besser gesagt neu interpretiert.

Das berühmte Bild "Girl with Ballon" (im Original von Banksy) hat von der kleinen Kita-Künstlerin ein Baby, vielleicht soll es auch eine Puppe sein, in die Hand bekommen. Lucios Fisch, im Original von Paul Klee, sprüht eine kleine Wasserfontäne nach oben und weicht damit ab von der künstlerischen Quelle. "Die Welt aus Kinderaugen sehen" - so lautet der Titel der Ausstellung. Und sie war weit mehr als der Versuch, Kinder zum Malen zu animieren. Das jedenfalls hat das dreimonatige Projekt auf jeden Fall bewirkt. "Die Kinder wollten gar nicht mehr damit aufhören", erzählte Florian Ristau, einer der pädagogischen Mitarbeiter, die das Projekt begleitet hatten. "Sie fragen jetzt noch beinahe täglich, ob wir heute wieder Kunst machen." Seine Kollegin Manuela Beutler verdeutlichte den pädagogischen Ansatz: "Die Kinder haben sich intensiv mit den Bildern, der Kunst und auch mit sich selbst auseinandergesetzt, das lief richtig gut."

Richtig gut lief nicht nur die dreimonatige Projektphase, sondern vor allem auch die liebevoll inszenierte und aufwändig vorbereitete Abschlussveranstaltung in Form einer Vernissage mit Eröffnungsrede, Tanzdarbietungen, Getränken und Expertengesprächen rund um die Werke, die es in den Galerie-Raum geschafft hatten. Jedes teilnehmende Kind hatte die Möglichkeit, sein Lieblingswerk auszuwählen. Das wurde gerahmt und in die Galerie im ersten Obergeschoss gehängt. Alle anderen Werke hingen in den Fluren. Hinweisschilder leiteten das Publikum - bestehend aus Eltern, Geschwistern, Großeltern und den Mitarbeitenden der Kita - in einer Art Rundgang an allen Bildern vorbei in Richtung Galerie.

In der Galerie hingen dann die Werke, von denen die kleinen Künstler selbst am meisten überzeugt waren und die sie stolz ihren Familien präsentieren konnten. Die Kinder ließen sich davor ablichten. Gegen eine kleine Spende durften die Bilder sogar abgehängt und mit nach Hause genommen werden. "Wir suchen einen schönen Platz für das Bild, zum Beispiel im Flur oder im Wohnzimmer", versicherte eine Mama ihrer Tochter. Doch die ließ an dieser Stelle keinen Raum für Diskussionen: "Das will ich in meinem Zimmer haben. Das bekommt kein anderer." Auch die künstlerischen Vorbilder der Kinder-Kunst hatten nicht alle ihre Kunstwerke der Öffentlichkeit aus freiem Willen zur Verfügung gestellt. Manch ein Kunstwerk wurde auch erst lange nach der Entstehung berühmt, wie zum Beispiel die "Mona Lisa", die erst nach einem Diebstahl Anfang des 20. Jahrhunderts einem breiten Publikum bekannt geworden ist. Die "Mona Lisa" gehörte übrigens auch zu den neu interpretierten Kunstwerken der Kinder der Diakonie-Kindertagesstätte.
