Legerer Bischof ohne Blumentopf-Ambitionen

20. Januar 2022
    © Diakonie Wolfsburg/Bettina Enßlen

    Warum ein protestantischer Regionalbischof keinen Talar auf Reisen durch seinen Sprengel trägt, sich nicht in die Rolle des „Blumentopfs“ begeben will und auch ansonsten recht modern daherkommt, wurde deutlich beim Besuch von Dr. Stephan Schaede beim Diakonisches Werk Wolfsburg e.V. im Seniorenzentrum St. Elisabeth am vergangenen Mittwoch. Mit großem Interesse an einem offenen Blick hinter die Kulissen eines diakonischen Unternehmens hatte er sich aus Lünbeurg auf den Weg nach Wolfsburg gemacht. Hier traf er auf Gesprächspartner, die sich freuten über den intensiven Austausch auf Augenhöhe. „Was es heißt, die Kundin und den Kunden im Blick zu haben“, das kann ich hier mitnehmen“, so Bischof Schaede, der deutlich machte, dass es bei diesem Besuch vor allem auch um mögliche Synergie-Effekten zwischen Diakonie und verfasster Kirche geht. „Wir agieren wie ein modernes Unternehmen, was wir auch müssen, um am Markt bestehen zu können“, so Ralf-Werner Günther, Vorstand Diakonisches Werk Wolfsburg e.V., der gerne den Blick hinter die Kulissen ermöglichte.

    Er komme gerne wieder, wolle aber kein Blumentopf sein, erklärte der Regionalbischof Schaede bei der Verabredung weiterer Treffen im Gespräch mit Ralf-Werner Günther, dessen Vertreterin, Personalleitung Daniela Engelbrecht und Arvid Kuhn, Assistenz der Leitung im Seniorenzentrum St. Elisabeth. Der gemeinsame Austausch zu Strategien, Führungsverständnis, diakonischem Profil, Bewerbermanagemt und den Herausforderungen in der Corona-Pandemie soll bald fortgesetzt werden. Da waren sich Besucher und Gastgeber schnell einig. Die Gesprächsebene passte. Und längst war deutlich geworden, was es mit dem Blumentopf-Vergleich des Bischofs auf sich hat auch: „Den stellt man hin zur Zierde, der ist schön, der hat aber keine aktive Rolle.“ Und eine aktive Rolle, die will dieser neue Regionalbischof in jedem Fall spielen – um Kirche zu modernisieren, Entwicklung zu ermöglichen und Wissen zu teilen. Deshalb hat er nicht nur zugehört, sondern vor allem auch nachgefragt, beispielsweise zur Organisationsstruktur des Unternehmens, zum Fachkräftemangel und zur Talentförderung, zu Haltungsfragen und zu Strategien, zur Zusammenarbeit mit der verfassten Kirche, zum Miteinander oder Konkurrenz mit anderen diakonischen Trägern.

    Beim Rundgang durchs Seniorenzentrum St. Elisabeth machte der Besucher auch Zwischenstopps in zwei Klassen der dort beheimateten Pflegeschule der Diakonie Wolfsburg (Foto unten). Und da war dann plötzlich der Bischof in der Rolle des Befragten. Die Pflege-Auszubildenden waren interessiert an den Auswahlkritierien, die zur Wahl ins Bischofsamt führen, den persönlichen Überzeugungen von Stephan Schaede, seinem Blick auf andere Religionen oder auch der Frage nach einem etwaigen Bischofs-Dresscode. „Außerhalb eines Gottesdienstes gibt es keinen“, erklärte Schaede augenzwinkernd und antwortete auch auf alle anderen Schülerfragen ähnlich direkt und locker. So erfuhren die Schülerinnen und Schüler vom muslimischen Schwager aus Somalia, den täglichen Chauffeur-Diensten des Vaters von vier Töchtern und der Tatsache, dass ein Bischof, um Bischof werden zu können nicht mehr können muss, als ein „schlichter“ Gemeindepfarrer. Aber für den Job sei es schon wichtig, dass man offen Menschen zugehen könne und auch wolle, betonte Schaede und bewies inhaltlich und physisch Augenhöhe im Gespräch mit den Auszubildenden. Drehte sich mit dem Rücken zur Klasse, kniete sich nach unten und bat um ein Handy-Foto mit der Klasse. Das will er bei Instagram posten.

    Und nach Wolfsburg wiederkommen will er auch – um sich mehr Zeit für Gespräche mit den Pflege-Auszubildenden zu nehmen, um dem Team des Hanns-Lilje-Heims einen extra Besuch abzustatten und den Austausch mit dem Vorstandsteam des Diakonisches Werk Wolfsburg e.V. fortzusetzen. Ein echter Erfolg, dieser Auftakt-Besuch!

    © Diakonie Wolfsburg/Bettina Enßlen