Hilfe beim Ankommen

18. Juli 2022

    Fast alle aus dem Team ProIntegration haben selbst Migrationserfahrung - sie kommen aus Kasachstan, Afghanistan, Syrien, Marokko und Russland. Nur zwei Mitarbeitende sind in Deutschland geboren. Das Team steht für Vielfalt und ist ein gutes Beispiel dafür, dass darin unsere Stärke liegt. Dadurch dass die Mehrheit der Mitarbeitenden von ProIntegration in Deutschland eine zweite Heimat gefunden haben, wissen sie, wie sie andere beim Ankommen unterstützen können.

    © Diakonie Wolfsburg

    Ludmila Wunder, Leiterin der ProIntegration, stammt selbst aus Kasachstan. Sie weiß aus eigener Erfahrung, wie es sich anfühlt in einem fremden Land eine neue Heimat zu finden. In einem Interview spricht sie darüber, wie ihr Team ukrainischen Flüchtlingen hilft.

    Die Diakonie Wolfsburg hat Familien aus der Ukraine in der alten Pflegeschule aufgenommen. Mittlerweile sind sie in Wohnungen umgezogen. Besteht noch Kontakt zu den Familien?

    Wir unterstützen die Familien weiterhin. Anfangs haben wir vor allem gedolmetscht. Die Familien stammen aus der russischsprachigen Ukraine. Zwei meiner Mitarbeiterinnen stammen aus Russland und ich selbst aus Kasachstan. Wir unterstützen auch andere ukrainische Familien, die vor dem Krieg fliehen mussten.

    Wie sieht das konkret aus?

    Wir helfen beispielsweise bei administrativen Dingen mit Behörden. Bei den Familien, die von der Diakonie ursprünglich aufgenommen wurden, ist das Familienkonstrukt für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich. Stark vereinfacht könnte man sagen, dass es ein Kinderhaus auf familiärer Basis ist. Zu den Familien gehören sowohl leibliche Kinder als auch Kinder, die aus anderen Familien stammen. Ähnlich wie Pflegekinder in Deutschland, jedoch ist der rechtliche Rahmen in der Ukraine ein anderer. Da das deutsche Recht eine derartige Konstellation nicht vorsieht, haben wir mit unseren Ansprechpersonen beim Jobcenter im Vorfeld gesprochen, als es um die Beantragung der Grundsicherung nach SGB II ging. Vor allem die Familienversicherung war eine Herausforderung, da Krankenkassen nur leibliche bzw. adoptierte Kinder vorsehen. Jetzt unterstützen wir, wenn die Familien Briefe von Behörden bekommen und beraten sie. Unsere Arbeit besteht ein Großteil daraus, Hintergründe zu vermitteln und zu erklären, wie was in Deutschland funktioniert.

    Die Ukraine ist sehr viel digitaler aufgestellt als wir in Deutschland. Oftmals besteht für die geflüchteten Kinder die Möglichkeit an Online-Unterricht teilzunehmen. Wie sieht es mit der Schulpflicht, die in Deutschland gilt, aus?

    Tatsächlich müssen die Kinder eine deutsche Schule besuchen. Der Online-Unterricht aus ihrer Heimat ist dennoch sehr wichtig für sie. Wir haben Kontakt zu den Schulen aufgenommen, um hier gute Lösungen zu finden. Am Anfang hat mein Team einzelne Kinder in die Schule begleitet. Es gibt einige Lehrkräfte, die Russisch sprechen, das erleichtert die Abstimmung enorm. Für die Schulen ist es eine Herausforderung, den Kindern die Teilnahme am Online-Unterricht zu ermöglichen. Hierfür müssen sie beispielsweise eine Aufsicht organisieren. Mittlerweile hat sich das gut eingespielt.

    Kann man sagen, dass die Flüchtlingswelle 2015/2016 den Weg geebnet hat, sodass es jetzt einfacher ist Menschen zu integrieren?

    Die Flüchtlingswelle stellt sicherlich einen Paradigmenwechsel in Deutschland dar. Allerdings kann man die Situation von damals mit der heutigen nicht vergleichen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind andere. Beispielsweise haben Menschen aus der Ukraine nach kurzer Zeit Anrecht auf Gesundheitsleistungen und auch freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Trotz der unterschiedlichen Rechte, ist die Solidarität gerade hier in Westhagen sehr groß. Viele Menschen mit Migrationserfahrung bieten aktiv ihre Hilfe an.

    Sie haben auch schon vor März viele Menschen mit Migrationshintergrund beraten und bieten viele Aktionen zur Integration an. Wie schafft Ihr Team das?

    Tatsächlich sind unsere Beratungstermine oft Wochen im Voraus ausgebucht. Auch unsere Familienprogramme Starke Familien und HIPPY haben Wartelisten. Wir sind ein sehr engagiertes Team und unterstützen uns gegenseitig. Aber ja, es sind viele Überstunden seit März angefallen. In Wolfsburg gibt es ein gutes Netzwerk von Beratungsstellen. Wenn unsere Kapazitäten erschöpft sind, dann vermitteln wir an andere, sodass die Menschen, die Unterstützung benötigen, diese bekommen.

    Starke Familien und HIPPY sind zwei Familienbildungsprogramme, die Sie anbieten. Warum sind sie so wichtig für die Integration?

    Mit beiden Programmen binden wir Familien ein. Nicht nur die Kinder werden gezielt gefördert und in ihrer Entwicklung langfristig gestärkt, sondern auch die Eltern lernen ganz nebenbei Deutsch. Sprache ist ein wichtiger Baustein, um in einem Land anzukommen. Durch die gezielte Förderung sind die Bildungschancen der teilnehmenden Kinder sehr viel höher - auch das ist ein weiterer Baustein, wenn es um die langfristige Integration geht.

    Wenn Sie sich etwas wünschen könnten. Was wäre das?

    Ich wünsche mir, dass die Politik erkennt, welche enormen Chancen in den Familienbildungsprogrammen liegen. Diese sollten meiner Meinung nach stärker finanziell gefördert werden. Die hohe Nachfrage zeigt den Bedarf. Die positive Entwicklung der Teilnehmenden zeigt, dass die Förderung auch langfristig erfolgreich ist.